Ich sitze mit meinen Eltern am Mittagstisch. Wir diskutieren über die anstehenden Abstimmungen. In vielen Schweizer Familien und Gesprächen ist das nichts ungewöhnliches. Wir stimmen schliesslich alle paar Monate über mehr oder weniger wichtige politische Entscheidungen ab.

Diesmal aber, ist die Diskussion heftiger und von vielen Emotionen geprägt. Welten prallen aufeinander. Es geht um die #EhefürAlle.

Es gibt gewisse (christliche) Subkulturen da ist es keine Frage ob Homosexualität gut und natürlich ist.

Natürlich nicht – sagen Sie.

Gottes Plan, seine Schöpfungsordnung ist doch die Ehe zwischen Mann und Frau. (Wenn man sich die Bibel und die Menschheit genauer anschaut, stellt sich das möglicherweise komplexer dar, aber in dieser Welt, wird das kaum hinterfragt.)

Ich habe ja selbst etliche Jahre gebraucht um diese Denkweisen und Argumente – ganz langsam und vorsichtig zu entwirren, zu hinterfragen und dann schlussendlich zu verwerfen.

Und mit Schrecken habe ich feststellen müssen, wie viel Leid im Namen Gottes verursacht wurde. Und immer noch wird.

Und selbst als ich für mich klar wusste, dass ich keine überzeugenden theologischen (oder anderen Gründe) gegen das verantwortungsvolle Ausleben der eigenen Sexualität/Genderidentität finden kann.

Selbst dann hat mich das Thema nicht losgelassen. Immer wieder habe ich mir die Geschichten und Biografien angeschaut angehört. Mitgelitten, mitgeweint. Speziell von christlichen LGBTQIA+ Menschen.

Und es hat weitere Jahre gedauert bis es richtig Klick gemacht hat. Ich finde mich zwar in keinem der Buchstaben der LGBT oder in einer der Farben der PrideFlagge wieder.

Aber ich gehöre doch dazu, nämlich zu den Buchstaben und Identitäten in LGBTQIA+ die man weniger gut kennt.

 

Denn wenn ich gehört habe, wie Menschen erzählen dass sie einfach gewusst haben, dass sie schwul, lesbisch Trans oder Whatever sind,

Hab ich keine Sekunde gezögert Ihnen zu glauben.

 

Ich weiss genau wie das ist.

 

Ich habe auch keine Sekunde gezögert,  als sie von der Einsamkeit erzählt haben. Wie sie dachten, sie seien die einzigen auf der Welt, die so empfinden.

 

Ich weiss genau wie das ist.

 

Ich habe sofort geglaubt, als erzählt sie haben, dass sie nicht wissen wie sie ihre Sexualität und ihren Glauben zusammenbringen - ja versöhnen können.

 

Denn ich weiss genau wie das ist.

 

Wie viel fucking Scharm und toxische Ideen über Sexualität ich immer noch mit mir rumtrage. (Und die kommen sowohl aus der Gesellschaft, den Medien und meiner christlichen Sozialisation)

 

Obwohl ich schon so viel versöhnter und freier bin als früher.

 

Meine Buchstaben und meine Farben, die gibt es schon. Mittlerweile weiss ich auch, dass ich nicht alleine bin. Zum Glück. Aber während es schon viele Queere/ Schwule / Lesbische Vorbilder in der Öffentlichkeit gibt, die sprichwörtlich aus dem Schrank gekommen sind. Nicht mehr „in the closet“ sind.

(Und ja, sie haben noch mit vielen Vorurteilen und Marginalisierungen zu kämpfen, deshalb stimmen wir ja überhaupt erst ab.)

Aber sie sind da. Auch in der Öffentlichkeit.

Queer, farbenfroh, stolz, und manchmal sogar christlich.

 

Ich habe kaum Vorbilder.

So fühle ich mich ein bisschen wie wenn es in diesem Schrank noch einen weitern Schrank und vielleicht noch einen dritten gibt. Und ich muss zuerst jede einzelne Tür neu aufstossen.

Während aussen an der Schranktür schon die Regenbogen Flagge hängt, an mein eigenes Coming Out ist kaum zu denken.

 

Wie viele Farben hat der Regenbogen?

Noch einige mehr, als du und ich heute sehen.

Habe ich Platz, mit meinen Farben?

Ich hoffe es sehr.

Manchmal sieht man sie schon an einer PrideParade aufblitzen.

Es muss auch nicht im LGBTQ+ Regenbogen sein, aber mit meinen Farben, meiner Sexualität ohne das Tabu und die Marginalisierung in dieser Gesellschaft zu leben. Das wünsche ich mir.

 

Aber bis es soweit ist, schwenke ich stolz die Pride Flagge, in Solidarität.

Und danke euch, für die Kämpfe, die ihr schon alle gekämpft habt.

Ich versuche sie an eurer Seite zu kämpfen.

Ich schreibe ein sehr grosses Ja! Auf den Stimmzettel bei  #EheFürAlle.

Weil Sexualität immer auch politisch ist.

 

Und ich hoffe, dass es irgendwann alle Farben selbstverständlich ein stolz leuchtender Teil im Regenbogen sind.


Wir freuen uns, diesen Mitschnitt eines Podiums zu präsentieren, das im Rahmen des Berner Aktionsmonats Likeeveryone stattfand. 

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Am 14. Mai 2021 berichteten queere Menschen aus verschiedenen Kirchen in der Kirche St. Peter und Paul in Bern über ihre persönlichen Erfahrungen:

 Susanne Andrea Birke, römisch-katholisch, frauen*liebend, gendernonconforming, 53 Jahre
 Thomas* Ramseier-Schmitz, christkatholisch, trans*non-binär, 43 Jahre
 Ari, christlich mit jüdischem Hintergrund, intersex,  transmaskulin, 45 Jahre
 Simon, neuapostolisch, schwul, 41 Jahre
 Benjamin Hermann, reformiert, transmaskulin, 23 Jahre.

Veranstalter*in: Fachschaft Theologie und Interreligiöse Studien mit der freundlichen Unterstützung der Christkatholischen Kirchgemeinde Bern und der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn.